Strafzumessung

Die Strafzumessung hat besonders im Bereich von Freiheitsstrafen eine große Bedeutung.
Die Strafzumessung hat besonders im Bereich von Freiheitsstrafen eine große Bedeutung.
(Letzte Aktualisierung: 12.04.2022)

Wenn das Gericht den Angeklagten einer Straftat für schuldig erklärt, stellt sich die Frage nach der Ahndung der Tat. Das StGB kennt im Wesentlichen Geld- und Freiheitsstrafen. Diese sind für jede Tat separat festgelegt, aber nicht als festes Strafmaß, sondern als Strafrahmen, z.B. sechs Monate bis zehn Jahre Gefängnis für eine gefährliche Körperverletzung.

Innerhalb dieses Rahmens muss das Gericht dann die Strafe finden, die für den konkreten Fall die richtige ist. Dabei muss es alle Umstände der Tat berücksichtigen. Diese Prozedur nennt man Strafzumessung.

Was ist tätige Reue?

Tätige Reue liegt vor, wenn der Täter sich bemüht, den Schaden seiner Tat abzuwenden. Das StGB sieht eine Strafmilderung für tätige Reue ausdrücklich nur bei wenigen Delikten (Hochverrat, Brandstiftung, andere gemeingefährliche Straftaten) vor. Der Grund dafür ist, dass hier die Vollendung bereits sehr weit nach vorn verlagert ist und damit ein Rücktritt vom Versuch schnell unmöglich wird. Rechtsfolge ist dann, dass das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern kann, also an die Mindeststrafe nicht mehr gebunden ist.

Soweit keine tätige Reue vorgesehen ist, erfolgt eine Berücksichtigung des Bemühens, den Schaden gering zu halten, im Rahmen der Strafzumessung.

Darf oder muss Untersuchungshaft bei der Strafzumessung berücksichtigt werden?

Grundsätzlich nicht.

Die Untersuchungshaft wird grundsätzlich auf die zu verbüßende Strafe angerechnet. Wer also bspw. vier Monate in Untersuchungshaft war, hat beim eigentlichen Strafantritt schon vier Monate verbüßt, sodass sich die Strafzeit (auch die verbleibende Zeit bis zu einer möglichen vorzeitigen Entlassung) entsprechend verkürzt. Diese Anrechnung ist als Kompensation ausreichend.

Wenn aber die U-Haft den Verurteilten überdurchschnittlich hart getroffen hat, kann eine gewisse Berücksichtigung bei der Strafzumessung erfolgen.

Wie werden Verfahrensfehler in der Strafzumessung berücksichtigt?

Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze können zu einer Aufhebung des Urteils und zu einer Neuverhandlung führen. Wenn die Neuverhandlung aber zwangsläufig zu einer erneuten Verurteilung führen würde, ist dem Angeklagten damit unter Umständen nicht geholfen. In diesem Fall können die Fehler bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden.

Bei einem Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens ist in der Regel eine Strafminderung vorzunehmen. In seltenen, besonders schweren Fällen kann auch ein Verfahrenshindernis entstehen, sodass der Prozess eingestellt werden muss.

Ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz oder eine rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung stellen ebenfalls Strafmilderungsgründe dar. Ab einer gewissen (im Einzelfall zu entscheidenden und mathematisch nicht fassbaren) Schwere der Verzögerung ist ein Teil der Strafe für verbüßt zu erklären. Der Täter wird dann so behandelt als hätte er bspw. bereits drei Monate der Strafe abgesessen.

Darf eine nach § 154 StPO eingestellte Tat bei der Strafzumessung berücksichtigt werden?

Ja, aber nur, wenn diese bereits vollständig ausermittelt ist, also selbst Teil eines Urteils sein könnte. Das ist in aller Regel nicht der Fall, da § 154 StPO gerade der Verfahrensökonomie dient und damit eine komplizierte Ermittlungsarbeit verhindert werden soll.

Muss ein Vorbestrafter bei Bagatelldelikten mit einer Gefängnisstrafe rechnen?

Das kommt ganz auf die Zahl und die Einschlägigkeit der Vorstrafen an. Grundsätzlich ist eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung bei Kleinkriminalität nur ultima ratio – aber sie ist möglich.

So hat bspw. das Oberlandesgericht Hamm eine Freiheitsstrafe von einem Monat und einer Woche für den Diebstahl einer Flasche Wodka im Wert von fünf Euro für zulässig erachtet.

Gibt es die Vermögensstrafe noch?

Nein.

Zwar steht die Vermögensstrafe noch als Strafart in § 43a StGB und wird auch von verschiedenen Vorschriften angedroht (z.B. bei schweren Bandendiebstahl gemäß § 244a oder bandenmäßigem Betrug nach § 263 Abs. 7), aber sie wurde vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben. Darum findet man im Gesetz auch die folgende Fußnoten:

Gem. BVerfGE v. 20.3.2002 I 1340 (2 BvR 794/95) mit GG (100-1) Art. 103 Abs. 2 unvereinbar und nichtig

Der Grund für die Aufhebung war, dass diese Strafe im Gesetz so unpräzise bestimmte war, dass für den Betroffenen nicht voraussehbar war, wie das Gericht diese Strafe zumessen würde. Dies widerspricht aber dem Bestimmtheitsgebot.

Ist die Strafe geringer, wenn man eine schwere Kindheit hatte?

Nicht wirklich.

Auch, wenn das landläufig als der Prototyp eines mildernden Umstands gilt, kann man damit in aller Regel keinen Richter beeindrucken. Die familiäre Prägung kann im Rahmen der „persönlichen Verhältnisse“ gemäß § 46 Abs. 2 StGB bei der Strafzumessung durchaus Berücksichtigung finden, entscheidend ist sie höchstwahrscheinlich nicht.

Und selbst dafür reicht der allgemeine Hinweis auf eine „schwere Kindheit“ sicher nicht. Es müssten wenn dann schon ganz konkrete Gesichtspunkte geltend gemacht werden, aufgrund derer der Angeklagte immer noch ein gemindertes Rechtsverständnis zeigt oder ohne sein Verschulden in eine kriminelle Laufbahn hineingezogen wurde. Ein einfacher Hinweis darauf, dass man es immer schwer hatte, hilft da sicher nicht.

Man sollte auch die Finger davon lassen, allzu offensichtlich unsubstantiiertes Mitleid schinden zu wollen. Der Richter könnte sich da leicht – Entschuldigung – verarscht vorkommen. Oder, um es juristischer auszudrücken, er könnte auf die Idee kommen, dass der Angeklagte das Unrecht seiner Tat gar nicht einsieht oder sie gar bereut.

Wirkt sich die Schadenswiedergutmachung positiv aus?

Ja, auf jeden Fall.

§ 46 Abs. 2 StGB sagt, dass für das Strafmaß „sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen“ relevant sind.

Dies kann sich in vielerlei Hinsicht auswirken:

Durch Schadenswiedergutmachung kann die Schuld des Täters als so gering angesehen werden, dass eine Verfahrenseinstellung nach § 153 oder § 153a StPO in Frage kommt.

Wird ein weitgehender Täter-Opfer-Ausgleich hergestellt, ist eine Milderung des Strafrahmens unter die eigentlich anwendbare Mindeststrafe und sogar ein völliges Absehen von Strafe möglich (§ 46a StGB).

Auch im Übrigen wirkt sich die Wiedergutmachung positiv auf die Strafzumessung innerhalb des zur Verfügung stehenden Strafrahmens aus. So geht das Strafmaß bspw. bei vielen Vermögensdelikten von Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe – innerhalb dieser weiten Bandbreite können natürlich zahlreiche Kriterien herangezogen werden.

Schließlich kann eine Schadenskompensation auch noch ein Gesichtspunkt für die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung sein. Dabei wird zum einen das Nachtatverhalten allgemein (§ 56 Abs. 1 Satz 2) sowie bei höheren Freiheitsstrafen ausdrücklich auch die Schadenswiedergutmachung berücksichtigt (§ 56 Abs. 2 Satz 2 StGB).

Ist man nach der Haft sofort wieder ein freier Mensch?

Nein, nach der Haftentlassung steht man fast immer unter Bewährung oder Führungsaufsicht.

Wird man vorzeitig entlassen, so ist der Rest der Freiheitsstrafe nicht komplett erlassen, sondern die Vollstreckung wird lediglich zur Bewährung ausgesetzt (§ 57 StGB). Auch für diese Art der Bewährungsstrafe können Auflagen und Weisungen festgesetzt werden (§ 57 Abs. 3)

Bei vollständiger Verbüßung von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe wegen eines Sexualdelikts oder mindestens zwei Jahren wegen einer anderen Straftat tritt Führungsaufsicht gemäß § 68f StGB ein.

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