Jugendstrafrecht

Für Jugendliche gibt es ein spezielles, auf sie abgestimmtes Strafrecht.
Für Jugendliche gibt es ein spezielles, auf sie abgestimmtes Strafrecht.

(Letzte Aktualisierung: 17.09.2024)

Das Jugendstrafrecht hat es sich zur Aufgabe gemacht, auch Straftaten von jüngeren Personen zu ahnden. Allerdings steht hier die Erziehung im Vordergrund, weniger die Vergeltung oder die Abschreckung. Daher gibt es ganz spezielle Regelungen im Jugendstrafrecht, die eine zielgenaue Ahndung und eine erzieherische Einwirkung auf einen jugendlichen Straftäter ermöglichen sollen.

Außerdem gibt es verschiedene Änderungen im Ablauf des Verfahrens, die die besonderen Umstände des Umgangs mit jugendlichen Verdächtigen und Straftätern berücksichtigen.

Allgemeines

Für wen gilt das Jugendstrafrecht?

Das Jugendstrafrecht gilt zunächst für alle Personen unter 18 Jahren (sog. Jugendliche). Außerdem kann es auch auf „Heranwachsende“, also auf Personen unter 21 Jahren angewandt werden. Hier kommt es aber darauf an, ob das Gericht den Beschuldigten eher einem Jugendlichen oder eher einem Erwachsenen gleichstellt, wobei insbesondere der „Reifegrad“ des Heranwachsenden für die Kategorisierung entscheidend ist (vgl. § 105 Abs. 1 JGG).

Beim Alter kommt es aber auf den Tatzeitpunkt an und nicht auf das Alter zum Zeitpunkt der Verhandlung.

Wer zum Tatzeitpunkt noch nicht 14 Jahre alt war, macht sich aber überhaupt nicht strafbar. Hier können allenfalls familienrechtliche Konsequenzen folgen.

Worin unterscheidet das Jugendstrafrecht vom allgemeinen Strafrecht?

Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) ersetzt das allgemeine Strafgesetzbuch (StGB) nicht völlig, sondern ordnet nur gewisse Unterschiede zum „Erwachsenenstrafrecht“ an.

Die Straftaten im Jugendstrafrecht sind grundsätzlich die gleichen wie im allgemeinen Strafrecht. Ein Diebstahl ist ein Diebstahl, egal wie alt der Täter ist.

Allerdings sind die Rechtsfolgen ganz andere: Während das StGB für alle Straftaten nur Freiheitsstrafe (Gefängnis) und ggf. noch Geldstrafe vorsieht, gibt es im JGG ganz unterschiedliche Möglichkeiten der Ahndung.

Sanktionen im Jugendstrafrecht

Welche Ahndungsmöglichkeiten gibt es im Jugendrecht?

Das JGG unterscheidet folgende Sanktionen:

  • Erziehungsmaßregeln (z.B. Ableistung von Arbeitsstunden, Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs)
  • Zuchtmittel (z.B. Geldauflage, Jugendarrest bis zu vier Wochen)
  • Jugendstrafe (Freiheitsstrafe in einer Jugendstrafanstalt)
  • Daneben sind noch Maßregeln (z.B. die Unterbringung in der Therapie) sowie Fahrverbot und Führerscheinentzug zulässig.
Wonach wählt der Richter diese Sanktionen aus?

Da es keine festen Strafrahmen gibt, erfolgt die Auswahl grundsätzlich nach freiem Ermessen des Richters. Er sieht sich den Angeklagten an und wählt aufgrund seiner Persönlichkeit und der Umstände der Tat die Rechtsfolgen aus, die ihm hier sinnvoll erscheinen.

Welche Rechtsfolgen genau zu erwarten sind, kann Ihnen Ihr Anwalt auch nicht sicher zusagen, aber er kann Ihnen jedenfalls übertriebene Ängste nehmen.

Muss ich Angst haben, ins Gefängnis zu kommen?

In aller Regel nicht. Gerade bei Ersttätern ist eine Jugendstrafe extrem selten. Dazu kommt, dass Jugendstrafen bis zu zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden können und dies normalerweise auch passiert.

Denkbar ist allerdings Jugendarrest, in der Regel nur für ein Wochenende, unter Umständen aber eben bis zu vier Wochen.

Welche Möglichkeiten der Bewährung gibt es im Jugendstrafrecht?

Im Jugendstrafrecht gibt es viel vielfältigere Möglichkeiten, eine Strafe zur Bewährung auszusetzen.

Konkret gibt es folgende Fallgruppen:

  • Aussetzung der Vollstreckung der Jugendstrafe (§ 21 JGG)
  • Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe (§ 27 JGG)
  • Jugendarrest neben Jugendstrafe (§ 16a JGG)
  • Vorbewährung (§ 61 JGG)
  • Jugendstrafe unter Nichtanrechnung der Untersuchungshaft (§ 52a JGG)

Mehr Informationen dazu finden Sie in meinem Artikel auf anwalt.de mit dem Titel „Freiheitsstrafe ohne Gefängnis – die Strafaussetzung zur Bewährung„.

Wann liegt eine Schwere der Schuld vor?

Die Schwere der Schuld ist – neben den sogenannten schädlichen Neigungen – eine Voraussetzung für die Verhängung der Jugendstrafe.

Dies ist nur der Fall, wenn es sich objektiv um eine schwere Straftat handelt und zudem der jugendliche Täter durch deren Begehung auch persönlich eine „schwere Schuld“ auf sich geladen hat.

Mehr dazu im Artikel „Wann darf eine Jugendstrafe verhängt werden?“ von Rechtsanwalt Thomas Hummel auf anwalt.de.

Was sind schädliche Neigungen?

Schädliche Neigungen sind eine der beiden Voraussetzungen für die Verhängung einer Jugendstrafe.

Der Begriff meint Charakterzüge eines Jugendlichen, die weitere Straftaten durch ihn befürchten lassen und deswegen eine schwere Sanktion wie die Jugendstrafe unabdingbar erscheinen lassen. Eine genauere Definition ist aber sehr schwierig.

Mehr dazu im Artikel „Wann darf eine Jugendstrafe verhängt werden?“ von Rechtsanwalt Thomas Hummel auf anwalt.de.

Ist bei einer großen Zahl von Straftaten eine schwere Strafe zu erwarten?

Ja, das ist durchaus möglich.

Zwar ist es im Jugendstrafrecht noch stärker als im Erwachsenenstrafrecht so, dass die einzelnen Strafen nicht vollständig addiert werden. Würde also für einen Betrug ein einwöchiger Arrest verhängt werden, so gibt es für 30 Betrugsstraftaten nicht die 30-fache Strafe.

Aber es ist dann durchaus denkbar, dass das Gericht vom Vorliegen schädlicher Neigungen ausgeht, da der Jugendliche möglicherweise einen kriminellen Lebenswandel angestrebt hat. Dann wäre Jugendstrafe zu erwarten.

Fachartikel zum Thema „Zuchtmittel“

Zu den sogenannten Zuchtmittel im Jugendstrafrecht hat Rechtsanwalt Grziwa einen Fachartikel auf anwalt.de veröffentlicht:

https://www.anwalt.de/rechtstipps/verwarnung-auflagen-jugendarrest-die-zuchtmittel-im-jugendstrafrecht_146175.html

Dieser gibt bereits einen ersten Überblick über die Thematik, nähere Detailinformationen werden Sie dann hier finden.

Das Jugendgerichtsverfahren

Wie läuft das Strafverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende ab?

Wie im allgemeinen Strafrecht ermittelt zunächst einmal die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt und lässt sich dabei ggf. durch die Polizei unterstützen. Auch im Jugendrecht kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen, wenn die Schuld gering ist oder sich der Verdacht nicht erhärtet.

Während des Verfahrens erfolgt in der Regel ein Gespräch mit der Jugendgerichtshilfe. Diese versucht, die Lebensumstände des Beschuldigten herauszufinden und befragt ihn zu seiner Familiensituation sowie zu seinem beruflichen bzw. schulischen Stand.

Am Ende des Verfahrens erfolgt dann, soweit das Verfahren nicht eingestellt wird, die Anklage zum Jugendgericht, vor dem die Hauptverhandlung durchgeführt wird.

Welche Richter entscheiden über mich?

In der Regel findet das Verfahren vor dem Amtsgericht statt. Hier ist normalerweise der Jugendrichter zuständig, der allein über den Fall entscheidet. Er berücksichtigt aber natürlich auch, was die Jugendgerichtshilfe, der Staatsanwalt und der Verteidiger sagen.

Schwerere Fälle werden durch das Jugendschöffengericht beim Amtsgericht verhandelt. Hier entscheiden zwei Schöffen, also ganz normale Bürger, die keine Juristen sind, gleichberechtigt mit dem Richter.

Die Jugendkammer beim Landgericht ist nur sehr selten zuständig, z. B. bei Tötungsdelikten oder wenn gegen einen erwachsenen Mitangeklagten eine hohe Freiheitsstrafe zu erwarten ist. Hier urteilen zwei oder drei Richter und zwei Schöffen.

Brauche ich einen Anwalt?

Nicht unbedingt, man kann sich sowohl im Ermittlungsverfahren als auch vor Gericht selbst verteidigen. Wenn ein Fall der notwendigen Verteidigung besteht, also eine schwerere Straftat vorliegt, bekommt man ohnehin einen Verteidiger durch das Gericht gestellt. Auch diesen Pflichtverteidiger kann man sich grundsätzlich selbst aussuchen.

Wenn Sie sich aber nicht zutrauen, sich selbst zu verteidigen oder es Ihnen einfach wohler ist, wenn Sie durch einen Strafverteidiger vertreten sind, dann können Sie sich natürlich jederzeit an einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens wenden.

Was kostet der Anwalt?

Das kommt darauf an, wie umfangreich das Verfahren ist. Bei einer außergerichtlichen Vertretung kann man – je nach Aufwand – mit 200 bis 800 Euro rechnen.

Geht die Sache dagegen vor Gericht, kommen zusätzliche Gebühren für die Vorbereitung der Hauptverhandlung sowie für die Vertretung im Termin dazu. Dabei muss man auf jeden Fall mit einigen hundert Euro zusätzlich rechnen.

All das sind aber nur Richtwerte aus der Praxis. Nach einer ersten Bestandsaufnahme kann Ihnen Ihr Anwalt regelmäßig eine genauere Auskunft geben.

Zahlt der Staat meinen Anwalt?

Wird das Verfahren eingestellt, egal ob durch die Staatsanwaltschaft oder durch das Gericht, trägt der Beschuldigte seine Kosten in aller Regel selbst. Das gilt erst recht bei einer Verurteilung.

Bei einem Freispruch trägt der Staat zumindest einen Teil der Anwaltskosten, hierbei allerdings nur Pauschalsätze, die meist unter den tatsächlichen Kosten liegen. Im Jugendstrafrecht kann das Gericht auch bei einer Verurteilung die Pflichtverteidigerkosten dem Staat auferlegen.

Ist die Verhandlung öffentlich?

Nur bei Heranwachsenden. Bei Jugendlichen ist die Verhandlung dagegen immer nichtöffentlich, um die Angeklagten zu schützen.

Dürfen meine Eltern an der Verhandlung teilnehmen?

Ja, trotz der Nichtöffentlichkeit der Verhandlung haben die Erziehungsberechtigten das Recht auf Anwesenheit.

Wofür ist die Jugendgerichtshilfe da?

Das steht in § 38 Abs. 2 des JGG:

Die Vertreter der Jugendgerichtshilfe bringen die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte im Verfahren vor den Jugendgerichten zur Geltung. Sie unterstützen zu diesem Zweck die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt des Beschuldigten und äußern sich zu den Maßnahmen, die zu ergreifen sind.

Die Jugendgerichtshilfe stellt also eine Art Gutachten über den Angeklagten an und liefert die Hintergründe zu seiner Lebenssituation. Diese Erkenntnisse helfen dem Gericht bei der Urteilsfindung.

Daneben ist die JGH aber auch für ganz konkrete Entscheidungsvorschläge zuständig:

  • die Anwendung von Jugend- oder Erwachsenenrecht bei Heranwachsenden
  • die Festlegung der Rechtsfolgen

Bei einer Jugendstrafe auf Bewährung wacht die Jugendgerichtshilfe, sofern kein Bewährungshelfer bestellt wurde, auch über die Erfüllung der Bewährungsauflagen.

Gibt es im Jugendstrafrecht ein Adhäsionsverfahren?

Ja, aber nur bei Heranwachsenden.

Ein Adhäsionsverfahren ist ein kombiniertes zivil- und strafrechtliches Verfahren. Das Strafgericht entscheidet hier nicht nur über die Bestrafung des Täters, sondern auch gleichzeitig über die Entschädigung des Opfers durch Schadenersatz oder Schmerzensgeld.

§ 81 JGG sagt dazu:

Die Vorschriften der StPO über die Entschädigung des Verletzten (§§ 403 bis 406c StPO) werden im Verfahren gegen einen Jugendlichen nicht angewendet.

Das gilt also nur bei Jugendlichen, die zum Tatzeitpunkt noch keine 18 Jahre alt waren. Bei Heranwachsenden (also 18- bis 20-Jährigen) gilt dieser Ausschluss nicht. Gegen sie kann das Opfer also ein Adhäsionsverfahren auch dann anstrengen, wenn sie nach Jugendstrafrecht verurteilt werden.

Endet die Verhandlung immer mit einem Urteil?

Nein, nicht unbedingt. Nicht wenige Prozesse werden mit der Verfahrenseinstellung abgeschlossen. Nachdem sich der Richter, siehe oben, ein Bild vom Angeklagten gemacht hat, reicht es unter Umständen, ihn ohne Urteil nach Hause zu entlassen. Das Verfahren wird dann ohne irgendeine Sanktion eingestellt.

Wie hoch sind die Chancen, dass das Verfahren eingestellt wird?

Während im Erwachsenenstrafrecht die Verfahren gerade bei Ersttätern häufiger eingestellt werden, ist dies bei Jugendlichen nicht unbedingt so. Die Staatsanwaltschaft möchte hier oft gleich ein Zeichen setzen, um auf den Beschuldigten einzuwirken. Auch der Jugendrichter will sich den vermeintlichen Täter gerne erst einmal persönlich „anschauen“.

Welche Rechtsmittel gibt es gegen die Urteile der Jugendgerichte?

Ist man mit dem Urteil der ersten Instanz nicht einverstanden, stehen folgende Rechtsmittel zur Verfügung:

  • Berufung gegen Urteile des Amtsgerichts (Jugendrichter und Jugendschöffengericht)
  • Revision gegen Urteile des Landgerichts (Jugendkammer)

Sonstiges

Kann einem Jugendlichen vor Gericht wirklich nicht viel passen?

Das kommt darauf an. Zunächst muss man unterscheiden:

  • Kinder unter 14 Jahren sind strafunmündig und können nicht verurteilt werden. Allerdings sind Maßnahmen des Jugendamts oder des Familiengerichts möglich.
  • Jugendliche zwischen 14 und 18 unterliegen dem Jugendstrafrecht.
  • Heranwachsende zwischen 18 und 21 unterliegen je nach Reifegrad dem Jugend- oder dem Erwachsenenstrafrecht.

Das Jugendstrafrecht legt mehr Wert auf die Erziehung und weniger auf die Bestrafung. Daher gibt es vielerlei erzieherische Maßnahmen, die aber auch äußerst unangenehm sein können. Trotzdessen, dass die Mindeststrafen des allgemeinen Strafrechts nicht gelten, ist dennoch eine längere Freiheitsstrafe (Jugendstrafe) möglich.

Insgesamt sind zwar die Urteile der Jugendgerichte milder, sie können aber trotzdem sehr einschneidend sein.

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