(Letzte Aktualisierung: 17.09.2024)
Opfer einer Straftat zu werden, ist meist eine äußerst traumatisierende Erfahrung. Als Geschädigter hat man neben den unmittelbaren Folgen der Tat häufig mit Ängsten und anderen psychischen Problemen zu kämpfen.
Während Opfer von Straftaten früher in erster Linie als Zeugen angesehen wurden und die eigentliche Strafverfolgung ausschließlich dem Staat oblag, haben Geschädigte heute etwas weitergehende Rechte im Strafverfahren.
Um eine Entschädigung oder Schmerzensgeld zu erhalten und andere Ansprüche gegen den Täter geltend zu machen, muss sich der Geschädigte aber weiterhin weitestgehend selbst kümmern.
Inhalt
Allgemeines
Wer ist der Verletzte einer Straftat?
Verletzter ist, wer durch die Tat unmittelbar in seinen Rechten, Rechtsgütern oder durch die Rechtsordnung geschützten Interessen verletzt ist.
Erfahre ich die Adresse des Täters aus den Akten?
Prinzipiell schon, allerdings sollten Sie mit diesem Wissen sehr vorsichtig sein.
Wenn Sie eine zivilrechtliche Klage auf Entschädigung einreichen wollen, dann können Sie die Anschrift natürlich verwenden. „Besuchen“ sollten Sie den Täter aber keinesfalls. Und veröffentlichen dürfen Sie diese Daten auch nicht.
Welche Rechte hat der Verletzte?
Das Strafverfahren spielt sich ausschließlich zwischen dem Staat und dem Beschuldigten ab. Der Verletzte ist nicht „Ankläger“. Er hat nur einige bestimmte Rechte, insbesondere:
- das Klageerzwingungsverfahren (§ 172 StPO)
- auf Erhebung der Privatklage (§ 374 StPO)
- auf Erhebung der Nebenklage (§ 395 StPO)
- auf Anstrengung des Adhäsionsverfahrens (§ 403 StPO)
Erfährt der Täter meine Adresse aus den Akten?
Ja, die Gefahr besteht.
Die Adresse des Geschädigten befindet sich praktisch immer in den Akten. Der Anwalt des Täters kann in die Akten Einsicht nehmen und erfährt die Adresse so ohne Weiteres. Allerdings ist die Weitergabe solcher Daten an den Täter stets problematisch. Soweit es die Verteidigung erfordert, kann der Verteidiger aber z.B. Vernehmungsprotokolle, auf denen sich die Anschrift des Geschädigten befindet, an den Beschuldigten weitergeben.
Anzeige und Ermittlungsverfahren
Was ist eine Strafanzeige?
Eine Strafanzeige ist nur die Mitteilung an die Staatsanwaltschaft (direkt oder über die Polizei), dass möglicherweise eine Straftat begangen wurde. Für die Einleitung einer Strafverfolgung ist das aber weder notwendig noch ausreichend. Die Entscheidung darüber, welche Tat sie verfolgt, trifft allein die Staatsanwaltschaft nach rechtlicher und tatsächlicher Prüfung.
Insoweit ist die Strafanzeige vom Strafantrag zu unterscheiden.
Kann ich eine Strafanzeige auch wieder zurückziehen?
Nein. Die Strafanzeige ist ja nur eine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft, dass irgendetwas passiert ist. Diese Kenntnis hat die Staatsanwaltschaft nun und dann muss sie von sich aus ermitteln. Daran ändert auch die Tatsache, dass es sich der Anzeigende nun anders überlegt hat, nichts.
Mehr dazu: Die Zurücknahme einer Strafanzeige – Sie hören von meinem Anwalt
Strafprozess
Kann ich selbst die Anklage führen?
Nein, die Anklage (öffentliche Klage) ist immer Sache des Staates, also der Staatsanwaltschaft. Das Opfer selbst hat in einem Strafverfahren regelmäßig nur die Position eines Zeugen.
Das Opfer kann unter Umständen aber als Nebenkläger oder als Privatkläger selbst als Beteiligter am Verfahren teilnehmen. Zivilrechtliche Ansprüche wie Schmerzensgeld und Schadenersatz kann der Geschädigte aber selbst geltend machen.
Was ist die Nebenklage?
Nebenklage bedeutet, das zwar „ganz normal“ der Staatsanwalt die Anklage erhebt und die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung diese Anklage vertritt, sich zugleich aber der Geschädigte selbst auch an der Strafverfolgung beteiligt. Er hat dann gewisse prozessuale Rechte und kann so die gegen ihn begangene Tat besser darstellen und die Ahndung unterstützen. Bei schwereren Straftaten ist die Nebenklage grundsätzlich möglich und häufig auch sinnvoll. Dabei schließt sich der Geschädigte bzw. dessen rechtlicher Vertreter der Anklage der Staatsanwaltschaft an.
Was ist die Privatklage?
Als Privatklage bezeichnet man ein Strafverfahren, in dem nicht der Staat die öffentliche Klage vertritt, sondern der Geschädigte selbst die Strafverfolgung in die Hand nimmt. Dies ist nur bei relativ wenigen Straftaten möglich und kommt in der Praxis kaum vor.
Kann ich selbst verlangen, dass der Täter verhaftet wird?
Nein, es gibt dahingehend kein Antragsrecht des Opfers.
Allerdings ist die Wiederholungsgefahr durchaus ein Haftgrund. Wenn also das Opfer belegen kann, dass der Täter weiterhin eine Gefahr darstellt und ggf. weitere Taten angekündigt hat, sollte dies über die Polizei der Staatsanwaltschaft mitgeteilt werden.
Ebenso wäre das bei Verdunklungsgefahr der Fall. Wird das Opfer also bedroht, damit es nicht oder entlastend aussagt, dann könnte das einen Haftbefehl rechtfertigen.
Einen Anspruch darauf, dass Staatsanwalt und Gericht auch wirklich darauf hinwirken, hat man aber nicht. Ebenso gibt es keine Rechtsmittel des Opfers.
Was ist ein Opferanwalt?
Als Opferanwalt bezeichnet man den Rechtsanwalt eines Geschädigten im Strafverfahren. Damit steht er dem Strafverteidiger gegenüber.
Dabei gibt es keine spezielle Ausbildung als Opferanwalt. Auch ist der Opferanwalt nicht zwangsläufig ein Fachanwalt o.ä. Vielmehr ist die Tätigkeit als Opferanwalt lediglich eine konkrete Funktionsbeschreibung.
Darf ich als Opfer eigene Beweisanträge stellen?
Das kommt darauf an:
In der einfachen Position als Opfer haben Sie kein Beweisantragsrecht. Allerdings sollten Sie mögliche Beweise bereits der Polizei oder Staatsanwaltschaft mitteilen, damit diese dann selbstständig diese Beweise erheben können. Das wird dann in aller Regel auch geschehen, wenn es sachdienlich erscheint.
Sind Sie dagegen Nebenkläger, haben Sie als Prozessbeteiligter auch ein Antragsrecht. Eine beantragte Beweiserhebung kann dann nur unter sehr engen Voraussetzungen abgelehnt werden.
Ist die Verhandlung immer öffentlich?
Ja, in aller Regel schon.
Grundsätzlich ist die mündliche Verhandlung öffentlich, § 169 Satz 1 GVG. Jeder, auch die Presse, kann sich also als Zuschauer in den Gerichtssaal setzen. Wird gegen Jugendliche verhandelt, gilt dies aber nicht, § 48 Abs. 1 JGG.
Bei öffentlichen Verhandlungen kann die Öffentlichkeit zeitweise ausgeschlossen werden (§§ 171a bis 172 GVG), wenn besondere Geheimhaltungsgründe entgegenstehen.
Persönliche Anmerkung von Rechtsanwalt Thomas Hummel:
Wenn ich den Geschädigten vertrete, achte ich stets darauf, die Privatsphäre des Opfers soweit wie möglich zu schützen. Der Geschädigte soll nicht durch die Verhandlung erneut zum Opfer werden.
Daher werde ich, sofern Sie das wünschen, stets einen Antrag auf Ausschließung der Öffentlichkeit während Ihrer Aussage stellen.
Werde ich vor Gericht öffentlich vernommen?
Ja, in der Regel schon. Die meisten Gerichtsverhandlungen sind komplett öffentlich. Dazu gehört auch die Vernehmung des Geschädigten als Zeuge.
Es gibt allerdings, gerade wenn ein minderjähriger Zeuge oder das Opfer einer Straftat vernommen wird, durchaus Ausnahmen. Diese finden Sie im Artikel „Der Ausschluss der Öffentlichkeit aus Gerichtsverhandlungen“.
Muss ich als Opfer vor Gericht aussagen?
Ja, ein Zeugnisverweigerungsrecht des Geschädigten gibt es grundsätzlich nicht. Es gelten nur die Ausnahmen, die für jeden Zeugen gelten, also insbesondere die Aussageverweigerung wegen Verwandtschaft.
Muss ich vor Gericht alles nochmal erzählen?
Ja, das ist leider kaum zu umgehen. Das Gericht muss sich seine Überzeugung direkt aus den zur Verfügung stehenden Beweismitteln bilden und dazu gehört auch, dass das Opfer (auch wenn es bereits vor der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder dem Ermittlungsrichter ausgesagt hat) noch einmal dem Richter die Tat schildern muss.
Wenn alle Beteiligten zustimmen, kann jedoch das Protokoll einer früheren Vernehmung oder eine schriftliche Schilderung des Opfers in der Hauptverhandlung verlesen werden (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO). Bei bestimmten Straftaten können Minderjährige auch per Video („Bild-Ton-Aufzeichnung“, § 255a StPO) vernommen werden, die dann im Gerichtssaal vorgespielt wird.
Steht man als Geschädigter vor Gericht unter Wahrheitspflicht?
Ja, auch als Geschädigter ist man ein ganz normaler Zeuge, der wahrheitsgemäß aussagen muss. Dazu gehört auch, die Tat korrekt und ohne Übertreibungen wiederzugeben. Ansonsten macht sich auch der Geschädigte wegen Falschaussage (§ 153 StPO) oder gar wegen Meineids (§ 154 StPO) strafbar.
Bekommt man sichergestelltes Eigentum wieder zurück?
Ja, natürlich. Sonst würde man als Geschädigter erneut zum Opfer werden.
§ 111n Abs. 1 StPO besagt, dass die Rückgabe an den bekannten Eigentümer erfolgen soll, sobald dieser für Zwecke des Strafverfahrens nicht mehr benötigt wird.
Wer über diese Rückgabe entscheidet, hängt von der Verfahrenssituation ab.
Wer entscheidet über die Rückgabe von Beweismitteln?
Der Eigentümer kann grundsätzlich die Rückgabe seines Eigentums verlangen, auch wenn es als Beweismittel dient.
Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Rückgabeantrag hängt vom jeweiligen Verfahrensstatus ab:
- Im Ermittlungsverfahren: die Staatsanwaltschaft
- Ab Anklageerhebung: das Gericht der Hauptsache
- Während des Revisionsverfahrens: das Gericht der letzten Tatsacheninstanz
- Nach Rechtskraft: die Staatsanwaltschaf
Soweit ein Gericht entschieden hat, ist dagegen die Beschwerde zulässig. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft kann dadurch angefochten werden, dass gerichtliche Entscheidung beantragt werden.
Ich bin mit dem Urteil nicht einverstanden. Kann ich Rechtsmittel einlegen?
Als Geschädigter hat man an sich keine Rechtsmittelbefugnis.
Anders ist dies aber, wenn man Nebenkläger ist. Der Nebenkläger kann selbst Rechtsmittel einlegen (§ 400 StPO). Das Rechtsmittel darf aber nicht allein deswegen eingelegt werden, um eine höhere Strafe zu erreichen; angefochten werden kann also in erster Linie ein Freispruch.
Wichtig ist, dass man die Position des Nebenklägers auch noch nach dem Urteil einnehmen kann, um Rechtsmittel einzulegen.
Wie muss der Nebenkläger ein Rechtsmittel begründen?
Der Nebenkläger darf selbstständig Rechtsmittel (Berufung, Revision) gegen das Urteil einlegen. Diese dürfen aber nur darauf zielen, die Verurteilung wegen einer anderen, ebenfalls die Nebenklage erlaubenden Strafnorm herbeizuführen. Eine bloße Verschärfung der Strafe darf nicht das Ziel sein.
Darum muss die Rechtsmittelbegründung zeigen, dass die Verurteilung wegen einer solchen anderen möglich ist. Wenn Revision eingelegt wird und dementsprechend die Tatsachenfeststellungen des ersten Gerichts als richtig angesehen werden, muss die Begründung zeigen, dass eine Verurteilung aufgrund dieser Tatsachenfeststellungen denkbar ist.
Beispiel: OLG Hamm, Beschluss vom 30.09.2002, 2 Ss 590/02
Ist die allgemeine Sachrüge für den Nebenkläger zulässig?
Nein. Da ein Rechtsmittel des Nebenklägers immer ein bestimmtes Ziel beinhalten muss, muss dieses Ziel auch ausdrücklich genannt werden. Bei der allgemeinen Sachrüge wird dagegen das Urteil insgesamt zur Disposition gestellt und die Suche nach Rechtsfehlern dem Gericht überlassen. Da dann aber nicht klar ist, welche Verurteilung der Nebenkläger überhaupt anstrebt, ist die allgemeine Sachrüge nicht zulässig.
Schadenersatz und Schmerzensgeld
Wie viel Schmerzensgeld bekomme ich?
Das hängt natürlich in erster Linie von den erlittenen Verletzungen ab. Die von deutschen Gerichten zuerkannten Schmerzensgelder sind dabei jedenfalls geringer als man es bspw. aus den USA gewohnt ist.
Das Schmerzensgeld soll den erlittenen Schmerz aufwiegen: Das Opfer erhält Geld, um sich davon eine schöne Zeit leisten zu können – als Gegengewicht zur weniger schönen Zeit, als es unter der Straftat leiden musste.
Diese Rechnung geht natürlich nicht ganz auf. Viele Opfer leiden ein Leben lang und manche Verletzungen lassen sich nicht in Geld aufwiegen.
Insofern sollte man das Schmerzensgeld einfach als teilweise Genugtuung ansehen. Die individuelle Höhe ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Einen groben Anhaltspunkt liefern Schmerzensgeldtabellen, die man im Internet findet.
Der Täter wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Bekomme ich dieses Geld als Opfer?
Nein.
Die Geldstrafe geht an den Staat und dient ausschließlich als Sanktion für die Straftat. Sie fließt daher in die Staatskasse und nicht an das Opfer der Straftat.
Wenn das Opfer Ansprüche gegen den Täter hat, muss es diese selbst zivilrechtlich geltend machen. Dies geschieht als separate Zivilklage oder seltener als Adhäsionsklage im Rahmen des Strafverfahrens.
Der Täter wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Kann ich trotzdem noch eine Entschädigung einklagen?
Ja, natürlich.
Die Geldstrafe dient nur der staatlichen Sanktionierung, nicht der Entschädigung des Opfers. Die Sache ist damit nicht komplett rechtlich abgeschlossen. Zivilrechtliche Ansprüche sind insbesondere nicht durch die Geldstrafe abgegolten.
Was ist, wenn ich künftige Schäden noch nicht abschätzen kann?
Hat das Opfer eine chronische Krankheit davongetragen oder stehen noch Gesundheitsschäden im Raum, deren genaue Schwere nicht absehbar ist, kann insoweit auf die bloße Feststellung der Ersatzpflicht geklagt werden. Damit wird eine Verjährung der Ansprüche verhindert und man muss später allenfalls noch über die genaue Höhe der Zahlungen streiten.
Bekomme ich Schmerzensgeld, wenn der Täter „pleite“ ist?
Wenn beim Täter, wie so oft, nichts zu holen ist, kann auch ein gerichtlich festgestellter Schmerzensgeldanspruch nicht durchgesetzt werden.
Allerdings werden Ansprüche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (wozu auch vorsätzliche Straftaten zählen) privilegiert:
- gemäß § 850f Abs. 2 ZPO sind größere Teile des Arbeitseinkommens pfändbar.
- gemäß § 302 Nr. 1 InsO wird die Restschuldbefreiung bei Privatinsolvenz nicht für derartige Ansprüche gewährt. Der Geschädigte kann also weiter vollstrecken.
Täter-Opfer-Ausgleich
Was ist ein Täter-Opfer-Ausgleich?
Beim Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) bemüht sich der Täter selbst um den Ausgleich mit dem Opfer, also um die Wiedergutmachung des Schadens. Häufig beinhaltet der TOA auch ideelle Leistungen wie eine Entschuldigung.
Der TOA führt häufig zu einer Strafmilderung für den Täter. Für das Opfer ist es von Vorteil, dass es zumindest eine gewisse Entschädigung relativ schnell erhält, ohne ein zusätzliches Gerichtsverfahren anstrengen zu müssen.
Die Zustimmung des Opfers zu einem TOA bedeutet keinen Verzicht auf weitergehende Ansprüche.
Muss ich an einem Täter-Opfer-Ausgleich teilnehmen?
Nein. Der Täter-Opfer-Ausgleich wird von manchen Beschuldigten und ihren Anwälten angestrengt, um einen Strafnachlass zu erreichen.
Das Opfer ist aber keineswegs verpflichtet, daran teilzunehmen. Der Geschädigte kann seine Schmerzensgeld- und Schadenersatzansprüche auch ganz normal im Zivil- oder Adhäsionsverfahren geltend machen.
Auch eine moralische Pflicht gibt es nicht. Zum einen sind Sie als Geschädigter dem Täter natürlich nichts „schuldig“. Zum anderen kommt es für die Strafzumessung auch nur auf das eigene Bemühen des Täters an. Ist das Bemühen erfolglos, weil das Opfer nicht mitwirkt, wird es dem Täter trotzdem positiv angerechnet.
Ich will an einem Täter-Opfer-Ausgleich teilnehmen, aber dem Täter nicht persönlich begegnen. Was kann ich tun?
Einen Täter-Opfer-Ausgleich sollten Sie nie persönlich verhandeln oder abschließen. Gerade eine persönliche Begegnung mit einem Gewalttäter ist einem Opfer kaum zuzumuten – das Aufeinandertreffen vor Gericht ist oft schon traumatisch genug.
Es ist daher dringend ratsam, dass Sie Ihren Anwalt mit der Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs beauftragen. Dieser ist nicht emotional involviert und kann rein objektiv aufgrund der Sachlage Ihre Position vertreten. Und er weiß viel besser, welche Vorgehensweise üblich ist und was er für Sie erreichen kann.
Nebenklage
Brauche ich als Nebenkläger einen Anwalt?
Nein, die Nebenklage kann auch ohne Anwalt erhoben werden.
Allerdings kann es durchaus sinnvoll sein, sich durch einen Anwalt vertreten zu lassen, der die prozessualen Besonderheiten kennt. Zudem hilft es – gerade in einer emotional angespannten Situation – häufig, wenn man jemanden an seiner Seite hat und nicht auf sich allein gestellt ist.
Was kostet mich der Anwalt für die Nebenklage?
Die Anwaltsgebühren des Nebenklagevertreters entsprechen denen des Verteidigers. Sie setzen sich regelmäßig zusammen aus:
- Grundgebühr für die Einarbeitung in die Sache: 200 Euro
- Verfahrensgebühr für das Ermittlungsverfahren: 165 Euro
- Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren: 165 Euro
- Terminsgebühr pro Hauptverhandlungstag: 275 Euro
Wird die Sache erstinstanzlich nicht vor dem Amtsgericht, sondern vor dem Landgericht verhandelt, so erhöhen sich die beiden letztgenannten Gebühren um 20 bzw. 45 Euro.
Hinzu kommt jeweils noch eine Portopauschale von 20 Euro sowie die Mehrwertsteuer von 19 %.
Dies sind nur die Regelgebühren, die für eine Sache mittleren Umfangs und mittlerer Schwierigkeit angesetzt werden können, ohne dass es einer besonderen Begründung bedarf. Die Grundgebühr kann bspw. zwischen 40 und 360 Euro festgelegt werden. Eine definitive Aussage, welche Kosten anfallen, ist also nicht zu treffen.
Persönliche Anmerkung von Rechtsanwalt Thomas Hummel:
Bevor ich Ihr Nebenklagemandat übernehme, schließe ich stets eine detaillierte Vergütungsvereinbarung mit Ihnen, die die Besonderheiten des Mandats und auch Ihre Vermögenssituation ausreichend berücksichtigt.
Diese umfasst dann normalerweise alle anfallenden Einzelgebühren, sodass Sie eine Summe „schwarz auf weiß“ sehen und nicht von zusätzlichen Beträgen überrascht werden.
Somit haben Sie die Sicherheit, welche Kosten genau auf Sie zukommen.
Wann kann ich mich als Nebenkläger anschließen?
Der Anschluss als Nebenkläger ist in jeder Lage des Verfahrens zulässig (§ 395 Abs. 4 Satz 1 StPO).
Die Erklärung kann also schon bei Erstattung der Strafanzeige, aber auch erst nach ergangenem Urteil (zur Einlegung von Rechtsmitteln) erfolgen. Die Anschlusserklärung erfolgt schriftlich gegenüber der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht (§ 396 Abs. 1 StPO).
Übernimmt die Rechtsschutzversicherung die Kosten der Nebenklage?
Das kommt ganz auf die jeweilige Versicherung an. Eine definitive Auskunft bekommen Sie nur dann, wenn Sie die Versicherungsbedingungen genau lesen oder ggf. nachfragen. In den letzten Jahren kann man eine gewisse Tendenz feststellen, dass Rechtsschutzversicherungen auch die Opferrechte im Fokus haben und Nebenklagekosten übernehmen.
Gerne überprüfe ich das aber selbst für Sie, wenn Sie mir Ihre Versicherungsunterlagen mitbringen.
Darf ein Anwalt mehrere Nebenkläger vertreten?
Ja. Die Einschränkung des § 146 StPO, wonach jeder Verteidiger nur einen Beschuldigten vertreten darf, gilt für Nebenkläger nicht entsprechend. Hier können sich, was durchaus sinnvoll ist, auch mehrere Opfer einen gemeinsamen Anwalt nehmen. Allerdings sollten davon nur solche Geschädigte Gebrauch machen, die gleichlaufende und nicht konkurrierende Interessen verfolgen.
Trägt der Verurteilte immer die Nebenklagekosten?
Das kommt darauf an, weswegen er verurteilt wird:
- Wird der Angeklagte wegen einer Tat gegen den Nebenkläger verurteilt, trägt er grundsätzlich auch die Kosten (§ 472 Abs. 1 Satz 1 StPO).
- Wird der Angeklagte nur wegen einer Tat verurteilt, die den Nebenkläger nicht betrifft, gilt dies jedoch nicht.
Wird der Angeklagte zwar wegen einer Tat gegen den Nebenkläger verurteilt, wäre die Kostenauferlegung aber „unbillig“, wird davon abgesehen (§ 472 Abs. 1 Satz 2 StPO). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die verurteilte Tat gegenüber der angeklagten deutlich leichter ist und ein Verschulden des Nebenklägers gegeben ist (LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 30.06.2014, JK I Qs 39/14 jug).
Wann wird ein Nebenklägeranwalt vom Gericht bestellt?
§ 397a Abs. 1 StPO sieht vor, dass dem Nebenkläger auf seinen Antrag hin ein Anwalt bestellt wird. Dabei muss unterschieden werden; einen Anwalt erhalten
- stets
- Opfer von sexueller Nötigung, Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen
- Opfer von Menschenhandel
- Opfer eines versuchten Mordes oder Totschlags
- Angehörige von Opfern eines vollendeten Mordes oder Totschlags
- nur beim Vorliegen schwerer körperlicher oder seelischer Schäden
- Opfer von schwerer Körperverletzung und Genitalverstümmelung
- Opfer von Menschenraub, Verschleppung und Entziehung Minderjähriger
- Opfer von Nachstellung („Stalking“), Freiheitsberaubung, erpresserischen Menschenraubs und Geiselnahme
- Opfer von Raub, räuberischem Diebstahl, räuberischer Erpressung und räuberischem Angriff auf Kraftfahrer
- nur, wenn sie zum Tatzeitpunkt minderjährig waren oder sie ihre Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen können
- Opfer sexuellen Missbrauchs und anderer Sexualstraftaten in jedweder Konstellation
- Opfer der Misshandlung von Schutzbefohlenen
- nur wenn sie zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig waren oder sie ihre Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen können
- Geschädigte einer Aussetzung
- Geschädigte einer schweren Körperverletzung oder einer Genitalverstümmelung
- Geschädigte des Menschenhandels, des Menschenraubs und der Verschleppung Minderjähriger
- zwangsverheiratete Personen
- Geschädigte einer schweren Nachstellung
- Geschädigte des erpresserischen Menschenraubs und der Geiselnahme
- Geschädigte einer Nötigung in einem besonders schweren Fall
- Geschädigte eines Raubes, räuberischen Diebstahls, einer räuberischen Erpressung oder eines räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer
Ansonsten eröffnet Abs. 2 die Möglichkeit, dass man zumindest noch Prozesskostenhilfe bekommt, wenn man sich einen Anwalt nicht leisten kann und einem die selbstständige Wahrnehmung seiner Interessen nicht zuzumuten ist.
Adhäsionsverfahren
Was ist das Adhäsionsverfahren?
Im Adhäsionsverfahren (§ 403 StPO) wird über zivilrechtliche Ansprüche im Strafverfahren entschieden. Dadurch soll die Abwicklung beschleunigt werden, da der Richter, der ohnehin strafrechtlich über die Sache entscheiden muss, zugleich die zivilrechtliche Seite beurteilt.
Voraussetzung ist aber, dass der Richter die Sache für geeignet hält, im Strafverfahren entschieden zu werden. Dies wird relativ häufig abgelehnt. Dann kann der Geschädigte seine Rechte natürlich noch vor den normalen Zivilgerichten wahrnehmen.
Hab ich ein Recht auf Durchführung des Adhäsionsverfahrens?
Grundsätzlich schon. § 406 Abs. 1 StPO statuiert die Pflicht des Gerichts, über einen Adhäsionsantrag zu entscheiden. Allerdings kann eder Antrag abgelehnt werden, wenn er das Verfahren verzögern würde oder sich sonst „zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet“. Dies steht weitestgehend im Ermessen des Gerichts und wird relativ häufig angenommen.
Warum sind Adhäsionsverfahren so selten?
Viele Gerichte entscheiden, dass der Adhäsionsantrag nicht zur Entscheidung im Strafverfahren geeignet ist. Dies liegt zum einen wohl daran, dass sich das Urteil dadurch – was § 406 Abs. 1 Satz 2 StPO verhindern will – notgedrungen verzögern würde.
Zum anderen haben wohl manche Richter auch Hemmungen, hier eine Frage zu entscheiden, die eigentlich zu einem anderen Rechtsweg gehört. Während Richter es gewohnt sind, bspw. bei Körperverletzungen ein angemessenes Strafmaß festzulegen, haben Richter deutlich weniger Erfahrung darin, das richtige Schmerzensgeld auszuurteilen.