Notwehr und Notstand

Wer angegriffen wird, darf sich wehren - ein einleuchtender Grundsatz.
Wer angegriffen wird, darf sich wehren – ein einleuchtender Grundsatz.
Wer angegriffen wird, darf sich wehren. Das ist ganz eherner Grundsatz, der sich aus fundamentalen Gerechtigkeitsüberlegungen ergibt. Niemand muss einen Angriff schutzlos hinnehmen und den Täter gewähren lassen. Dieses Prinzip kennt wohl jedes Strafrecht der Welt und zu allen Zeiten.

Diffiziler ist dann aber die Frage, welche Angriffe zur Notwehr berechtigen und wie weit die Gegenwehr im Einzelfall gehen darf. Das deutsche Strafrecht kennt eigentlich ein „schneidiges“ Notwehrrecht, das nicht nach Verhältnismäßigkeit fragt und grundsätzlich immer auch tödliche Abwehrmaßnahmen erlaubt. Dieses weit gehende Recht wird dann jedoch wieder durch einschränkende Überlegungen zusammengestutzt.

Inhalt

Notwehr

Grundlagen

Wie wird das Notwehrrecht begründet?

Das Recht auf Notwehr wird sowohl individualrechtlich als auch sozialrechtlich begründet: Der Angegriffene muss sich verteidigen dürfen, um seine Rechtsgüter zu erhalten. Andererseits soll auch die Rechtsordnung als solche vor Angriffen geschützt werden.

Wie wird die Notwehr geprüft?

Die Notwehr wird bei der Rechtswidrigkeit geprüft. Sie macht eine objektiv und subjektiv tatbestandsmäßige Handlung rechtmäßig.

Der Aufbau ist folgender:

  • Notwehrlage
    • Angriff
    • gegenwärtig
    • rechtswidrig
  • Notwehrhandlung
    • geeignet
    • erforderlich
    • geboten
  • Verteidigungswille

Angriff

Was ist ein Angriff im Sinne des § 32?

Angriff ist jede von einem Menschen unmittelbare drohende Verletzung einer rechtlich geschützten Interesses. Ein Angriff kann auch fahrlässig oder schuldlos begangen werden.

Wann ist der Angriff rechtswidrig?

Rechtswidrig ist der Angriff, wenn er im Widerspruch zur Rechtsordnung steht. Nicht rechtswidrig ist ein Angriff also insbesondere, wenn er seinerseits gerechtfertigt ist.

Wann ist ein Angriff gegenwärtig?

Gegenwärtigkeit liegt vor, wenn ein Angriff unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch andauert. Der Angriff ist also von seinem Beginn bis zu seinem Ende gegenwärtig.

Nicht gegenwärtig sind also abgeschlossene und künftige Angriffe.

Notwehrhandlung

Was ist ein extensiver Notwehrexzess?

Beim extensiven Notwehrexzess werden die Grenzen der Notwehr in zeitlicher Hinsicht überschritten. Extensiv ist also ein Notwehrexzess gegen nicht gegenwärtige Angriffe.

Was ist ein intensiver Notwehrexzess?

Beim intensiven Notwehrexzess werden die Grenzen der Notwehr in sachlicher Hinsicht überschritten. Der Angegriffene wehrt sich also in einer Weise, die über das Gebotene hinausgeht.

Wann ist eine Notwehrhandlung geeignet?

Geeignet ist eine Notwehrhandlung nur, wenn sie gegen Rechtsgüter des Angreifers gerichtet ist und dadurch eine Abwendung des Angriffs zu erwarten ist.

Wann ist eine Notwehrhandlung erforderlich?

Erforderlichkeit ist gegeben, wenn die Verteidigungshandlung bei größtmöglicher Schonung der Interessen des Angreifers die sofortige und endgültige Beendigung des Angriffs erwarten lässt.

Es werden also zunächst alle Verteidigungsmöglichkeiten betrachtet, die die den Angriff ausreichend abwehren. Unter diesen Handlungsoptionen ist dann aber nur die zulässig, die den Angreifer am wenigsten schädigt.

Zurückweichen oder die Wahl unsicherer Verteidigungsmittel ist aber nicht notwendig.

Wie werden nicht erforderliche Erfolge der Verteidigungshandlung behandelt?

Der Erfolg ist grundsätzlich irrelevant, es kommt nur auf die Rechtmäßigkeit der Handlung an. Führt beispielsweise ein notwendiger Faustschlag zu einem an sich nicht notwendigen Schädelbasisbruch, so ist die trotzdem von der erforderlichen Verteidigungshandlung gedeckt.

Wann ist der Einsatz einer Schusswaffe erforderlich?

Grundsätzlich muss der Schusswaffeneinsatz zunächst angedroht werden, unter Umständen auch durch einen Warnschuss. Dies gilt freilich nicht, wenn auch das Gegenüber eine tödliche Waffe verwendet und diese sofort einsetzen könnte.

Wann ist die Verteidigungshandlung geboten?

„Geboten“ ist an sich nur das Gegenteil von „verboten“. Das Vorliegen der Notwehrlage erlaubt die Notwehrhandlung.

Allerdings werden in das Merkmal der Gebotenheit verschiedene Wertungen hineingelesen. Insbesondere wird eine sozialethische Einschränkung des Notwehrrechts diskutiert. Diese ist aber nur dann heranzuziehen, wenn die Handlung so rechtsmissbräuchlich ist, dass die mit dem Rechtsbewährungsprinzip nicht mehr vereinbar ist. Es wird dann also neues Unrecht gesetzt.

Wann fehlt es an der individualrechtlichen Begründung des Notwehrrechts?

Hieran fehlt es, wenn der Angegriffene das Notwehrrecht gar nicht benötigt, um seine Rechte wahrzunehmen. Dies ist der Fall, wenn die Rechtsgüter von Angreifer und Verteidiger in keinem Verhältnis zueinander stehen.

Beispiel: Kirschbaumfall

Wann fehlt es an der sozialrechtlichen Begründung des Notwehrrechts?

Sozialrechtlich bedarf es einer Notwehr nicht, wenn sich das Recht nicht bewähren muss. Dies ist der Fall,
wenn nur ein Bagatellangriff vorliegt,
Personen schuldlos handeln,
Angreifer und Verteidiger eng miteinander verbunden sind oder
die Notwehrlage provoziert wurde.

In diesen Konstellationen ist das Notwehrrecht deutlich eingeschränkt.

Wie kann ein eingeschränktes Notwehrrecht ausgeübt werden?

Ist das Notwehrrecht eingeschränkt, so bedeutet dies, dass die Schonung des Angreifers noch höheren Stellenwert erhält:
Zunächst muss der Angegriffene ausweichen, also auf die Notwehr ganz verzichten.
Ist ein Ausweichen nicht möglich, kann der Angegriffene reine Verteidigung üben, sog. Schutzwehr. Dabei muss er kleinere eigene Verletzungen grundsätzlich hinnehmen.
Nur wenn auch die Verteidigung keine sichere Angriffsabwehr verspricht, dürfen als ultima ratio schwerere Notwehrhandlungen ausgeführt werden.

Beeinflusst Art. 2 EMRK das Notwehrrecht?

Nein, Art. 2 EMRK hat keinen anderen Inhalt als die sozialethische Einschränkung des Notwehrrechts, die bereits in § 32 StGB hineingelesen wird. Dem Lebensschutz wird dadurch bereits ausreichend Rechnung getragen.

Zudem bindet eine internationale Konvention, die Grundrechte verbürgen will, nur den Staat, nicht den Bürger.

Verteidigungswille

Wann fehlt der Verteidigungswille?

Der Verteidigungswille fehlt, wenn zwar objektiv eine Notwehrlage vorlag, der Angegriffene dies aber nicht wusste. Seine Handlung stellte also aus seiner Sicht einen Angriff dar, tatsächlich war es aber eine Verteidigung.

Welche Folge hat das Fehlen des Verteidigungswillens?

Der BGH sieht auch darin eine vollendete Tat. Schließlich wurde der Tatbestand vollständig erfüllt, der Erfolg ist eingetreten. Eine Rechtfertigung entfällt, da der Verteidigungswille nicht vorlag und damit keine Notwehrhandlung gegeben ist.

In der Literatur wird teilweise vertreten, hier liege nur ein Versuch vor, da der Täter den Erfolg lediglich herbeiführen wollte, dieser Erfolg aber eigentlich nicht rechtswidrig war.

Was ist antizipierte Notwehr?

Antizipierte Notwehrhandlungen werden vor Entstehen der Gefahr eingerichtet, wirken aber erst ab dem Beginn des Angriffs. Damit werden sie erst zum Zeitpunkt der Notwehrlage wirksam, ein gegenwärtiger Angriff liegt also vor.

Allerdings muss auch eine solche Handlung erforderlich sein. Hieran fehlt es häufig, da eine passgenaue Abstimmung auf den Angriff nicht möglich ist.

Wie wird das Verhältnis zwischen Schaden und Gefahr bewertet?

Ein wertmäßiges Überwiegen der Gefahr ist für die Anwendung von § 228 BGB nicht notwendig. Vielmehr darf der Schaden nur nicht deutlich größer sein als der drohende Schaden. Insbesondere bei Gesundheitsgefahren sind Sachschäden fast immer verhältnismäßig.

Notwehrprovokation

Was bedeutet Notwehrprovokation?

Notwehrprovokation ist außer der Absichtsprovokation auch jede andere schuldhafte Herbeiführung der Notwehrlage.

Was bedeutet Absichtsprovokation?

Bei der Absichtsprovokation provoziert der Angegriffene absichtlich eine Notwehrlage, um in deren Rahmen ungestraft handeln zu können.

Darf der Angegriffene bei einer Notwehrprovokation noch Notwehr üben?

Ja, sein Notwehrrecht ist lediglich eingeschränkt. Allerdings kann er sich unter Umständen wegen Fahrlässigkeit strafbar machen, wenn er diese Folge vorhersehen konnte.

Darf der Angegriffene bei der Absichtsprovokation noch Notwehr üben?

Nein, da ihm dann der Verteidigungswille fehlt. Er hat vielmehr einen Angriffswillen, den er durch Herbeiführung der Notwehrlage „tarnt“.

Was ist Abwehrprovokation?

Bei der Abwehrprovokation wird die Notwehrhandlung an sich nicht provoziert. Der Angegriffene richtet sich nur vorher für den Fall eines Angriffs mit einem Abwehrmittel.

Darf der Angegriffene bei der Abwehrprovokation noch Notwehr üben?

Ja, uneingeschränkt. Sich für den Fall eines Angriffs zu wappnen, ist sozialethisch nicht zu beanstanden. Der präsumptive Angegriffene darf seine Abwehrposition vorher auch optimieren.

Notstand

Wie verhalten sich zivilrechtlicher und strafrechtlicher Notstand zueinander?

§§ 228, 904 BGB sind vorrangig gegenüber § 34 StGB. Letzterer stellt nur eine ultima ratio dar.

Was erlaubt § 228 BGB?

Defensiver Notstand gemäß § 228 erlaubt die Zerstörung, Beschädigung und sonstige Einwirkung auf fremde Sachen, von denen eine Gefahr ausgeht. Der Schaden darf dabei nicht außer Verhältnis zur drohenden Gefahr stehen.

Bsp.: Abwehr eines aggressiven Hundes

Brauchen die §§ 228 und 904 BGB und 34 StGB ein subjektives Rechtfertigungselement?

Ja, ein Gefahrabwendungswille ist auch hier erforderlich.

Was erlaubt § 904 BGB?

Aggressiver Notstand § 904 rechtfertigt die Zerstörung, Beschädigung und sonstige Einwirkung auf fremde Sachen, die zwar selbst keine Gefahr erzeugen, sofern die Einwirkung zur Abwehr einer anderen Gefahr erforderlich ist. Zusätzlich muss der drohende Schaden unverhältnismäßig groß gegenüber dem durch die Abwehr eintretenden Schaden sein.

Bsp.: Abbrechen einer Zaunlatte, um sich gegen einen Angreifer zu wehren

Was erlaubt § 34 StGB?

§ 34 rechtfertigt an sich rechtswidrige Handlungen, wenn die Sachlage ansonsten bei ungehindertem Fortgang zu einem Schaden führen wird.

Die Handlung muss aber erforderlich, die Gefahr also nicht anders abwendbar abwehrbar sein.

Wie wird das Verhältnis zwischen Schaden und Gefahr bewertet?

Bei § 34 StGB wird eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen.

Dabei werden die Wertigkeit der Rechtsgüter, das Ausmaß des zu erwartenden Schadens und das (prozentuale) Risiko der Gefahr berücksichtigt. Das bedrohte Interesse muss das beeinträchtigte wesentlich überwiegen.

Schließlich muss die Notstandshandlung auch angemessen sein.

Wann wird ein wesentliches Überwiegen der betroffenen Interessen angenommen?

Das bedrohte Interesse muss das geschädigte eindeutig und jenseits vernünftiger Zweifel wertmäßig Übersteigen. Kriterien dafür sind die für eine Verletzung der Rechtsgüter vorgesehenen Strafrahmen des StGB.

Kann Leben gegen Leben abgewogen werden?

Nein, Leben ist als höchstes Rechtsgut nicht abwägungsfähig. Dies gilt auch dann, wenn viele Leben gegen ein Leben stehen, gesunde gegen kranke Menschen, Alte gegen Junge, etc.

Auf wessen Sicht wird bei § 34 StGB abgestellt?

Die Beurteilung wird aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten vorgenommen.

Welche Rechtsgüter sind im Rahmen des § 34 notstandsfähig?

Neben den in § 34 beispielhaft aufgezählten Rechtsgütern („…“) sind auch andere Rechtsgüter erfasst.

Wann ist eine Gefahr im Rahmen des § 34 gegenwärtig?

Diese Gegenwärtigkeit beginnt bereits, wenn der Schaden „alsbald“ droht. Dies ist früher der Fall als bei der Notwehr (§ 32).

Ist Ausweichen eine Alternative im Rahmen des § 34?

Ja, hier ist grundsätzlich auch ein Ausweichen zumutbar.

Sind unsichere Handlungen gemäß § 34 gerechtfertigt?

Eher nein, da hier ja nicht die Rechtsgüter des Schädigers betroffen sind.

Wie wird die Angemessenheit beurteilt?

Dabei handelt es sich um eine sozial-ethische Gesamgtabwägung, die aber in der Regel im Rahmen der Interessenabwägung bereits erfolgt ist.

Wann ist die Angemessenheit zu thematisieren?

Spezielle Angemessenheitsfragen stellen sich nur bei besonderen Problemgruppen, insbesondere bei

  • einer besonderen Pflichtenstellung
  • Verschulden hinsichtlich der Notstandslage
  • einem Verstoß gegen oberste Rechtsprinzipien
  • einem Nötigungsnotstand
  • einem Verstoß gegen das Autonomieprinzip
Wann liegt einer besondere Pflichtenstellung vor?

Dies ist gegeben, wenn den Notstandsberechtigten eine besondere Gefahrtragungs- oder Duldungspflicht trifft. In diesem Fall muss er eine Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter akzeptieren.

Wann ist das Autonomieprinzip betroffen?

Das Autonomieprinzip sieht vor, dass jeder Mensch bestimmte Entscheidungen selbstständig (autonom) treffen darf. Diese Entscheidungsfreiheit darf ihm nicht im Weg des Notstands abgenommen werden.

Bsp.: zwangsweise Heranziehung zu einer Blutspende

Wann liegt Nötigungsnotstand vor?

Nötigungsnotstand ist gegeben, wenn der Täter von einem Dritten dazu genötigt wird, eine bestimmte Handlung vorzunehmen. Um sich dem Drohenden zu beugen und einer Realisierung der Drohung zu entgehen, nimmt er eine andere rechtswidrige Handlung vor. Hinsichtlich dieser Handlung liegt ein sogenannter Nötigungsnotstand vor.

Was ist eine Dauergefahr?

Bei der Dauergefahr besteht ein gefahrdrohender Zustand, bei dem aber noch unklar ist, wann er in eine tatsächliche Gefahr umschlägt.

Ist ein Nötigungsnotstand im Rahmen des § 34 beachtlich?

Nein, eine solche Handlung wird spätestens im Rahmen des Angemessenheit aus § 34 ausgeschieden, da sich der Täter durch seine Handlung absichtlich auf die Seite des Unrechts geschlagen hat. In Betracht kommt nur eine Entschuldigung über § 35.

Ist eine Dauergefahr gegenwärtig?

Nur dann, wenn sie so dringend ist, dass sie nur durch unverzügliches Handeln abgewendet werden kann.

Wird auch dann ermittelt, wenn man in Notwehr gehandelt hat?

Ja, natürlich.

Denn die Klärung der Frage, ob wirklich Notwehr vorliegt, erfolgt erst am Ende des Verfahrens. Die bloße Tatsache, dass ermittelt wird, heißt noch lange nicht, dass sich derjenige, der sich auf Notwehr beruft, auch strafbar gemacht hat.

Darf man ein Pfefferspray für die Tierabwehr auch gegen Menschen einsetzen?

Ja. Auch die Tatsache, dass aus waffenrechtlichen Gründen auf Pfefferspray immer steht, dass es nur für die Tierabwehr gedacht ist, ändert daran nichts.

Die Frage, ob man das Pfefferspray einsetzen darf, stellt sich natürlich nur, wenn ein Erlaubnisgrund vorliegt. In der Regel wird das Notwehr sein. Wenn deren allgemeine Voraussetzungen gegeben sind, darf sich der Angegriffene dadurch wehren, dass er das mildeste zur Verfügung stehende Mittel anwendet, um den Angriff sicher abzuwehren.

Liegt diese Möglichkeit darin, ein Pfefferspray einzusetzen, hat der Angegriffene auch das Recht, dieses zu verwenden. Zwar ist das Pfefferspray an sich nur dafür gedacht, Tiere abzuwehren; für den Einsatz gegen Menschen ist es nicht hergestellt worden. Dies gilt aber für alle anderen Notwehrmittel genauso – weder ein Küchenmesser, noch ein Baseballschläger noch die eigenen Fäuste sind bestimmungsgemäß Notwehrmittel. Würde man sie deswegen alle aus dem Bereich der Notwehr ausschließen, könnte sich der Angegriffene ja überhaupt nicht mehr wehren.

Auf wessen Sicht wird bei § 34 StGB abgestellt?

Die Beurteilung wird aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten vorgenommen.

Welche Rechtsgüter sind beim entschuldigenden Notstand geschützt?

Nur die in § 35 abschließend aufgezählten. Eine Erweiterung wie bei § 34 ist dabei nicht vorgesehen, da der entschuldigende Notstand nur äußerst bedrohliche Ausnahmesituationen umfassen soll.

Wen muss die Gefahr beim entschuldigenden Notstand betreffen?

Den Täter selbst, einen seiner Angehörigen (§ 11 Abs. 1 Nr. 1) oder eine sonst nahe stehende Person.

Wann liegt eine Gefahrtragungspflicht vor?

Eine Entschuldigung wird in folgenden Fällen ausgeschlossen:

  • Der Täter hat die Gefahr verursacht. Dann ist er verpflichtet, die Gefährdung seiner eigenen Rechtsgüter hinzunehmen und kann nicht einfach den Schaden auf andere abwälzen.
  • Ein öffentlicher Amtsträger (Feuerwehrmann, Polizist, Soldat) handelt im Rahmen seiner Aufgaben und wird hierbei berufstypisch gefährdet. Dann hat er durch Wahl des Berufs solchen Gefährdungen zugestimmt.
Gilt die Gefahrtragungspflicht auch, wenn ein naher Angehöriger die Gefahr verursacht hat?

Dies ist hoch umstritten und nur durch eine Einzelfallentscheidung zu lösen. Dabei ist zu berücksichtigen, ob dem Täter angesichts der Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 2 die Hinnahme der Gefahr zumutbar ist.

Was ist Nötigungsnotstand?

Nötigungsnotstand liegt vor, wenn der Täter durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu einer rechtswidrigen Tat genötigt wurde.

Wie wird der Nötigungsnotstand behandelt?

Die im Nötigungsnotstand begangene Tat ist entschuldigt, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 35 vorliegen.

Wann ist ein Notwehrexzess gegeben?

Notwehrexzess liegt gemäß § 33 vor, wenn an sich alle Voraussetzungen der Notwehr vorliegen, die Rechtfertigung aber an der mangelnden Erforderlichkeit scheitert.

Gilt § 33 auch beim extensiven Notwehrexzess?

Nein. Beim extensiven Notwehrexzess sind die zeitlichen Grenzen der Notwehr überschritten, eine Notwehrlage liegt also nicht (mehr) vor. Damit sind eben nicht alle Voraussetzungen der Notwehr erfüllt.

Das Notwehrrecht umfasst auch den Einsatz von Schusswaffen.
Das Notwehrrecht umfasst auch den Einsatz von Schusswaffen.
(Letzte Aktualisierung: 12.04.2022)

Wer angegriffen wird, das sich wehren – das ist ein Grundsatz, der aus der Gerechtigkeit entspringt. Juristisch sagt man, dass bei einer Notwehrhandlung die Rechtswidrigkeit entfällt.

Beim Notstand handelt es sich ebenfalls um eine Zwangslage, in der man eine Tat begeht. Im Gegensatz zur Notwehr richtet sich die Notstandshandlung aber nicht gegen einen Angreifer, sondern unter Umständen gegen einen Unbeteiligten. Auch in diesen Fällen kann aber die Strafbarkeit entfallen.

Allgemeine Grundsätze

Kann sich ein Amtsträger auf Notwehr und Notstand berufen?

Ja, auch ein staatlicher Amtsträger ist noch immer ein „Bürger in Uniform“ und kann die bürgerlichen Abwehrrechte geltend machen. Er soll nicht schlechter gestellt werden als ein anderer Angegriffener.

Dies ergibt sich auch aus verschiedenen Polizeigesetzen, Art. 60 Abs. 2 BayPAG sagt bspw., dass die „zivil- und strafrechtlichen Wirkungen nach den Vorschriften über Notwehr und Notstand“ unberührt bleiben.

Darf ich innerhalb von drei Sekunden zurückschlagen?

Nein.

Eine populäre Rechtstheorie behauptet, man dürfe als Reaktion auf eine Körperverletzung innerhalb von drei Sekunden zurückschlagen und sei dann straffrei. Das ist falsch, eine solche Regelung gibt es nicht. Es handelt sich übrigens auch nicht um Notwehr, da durch das zurückschlagen kein Angriff mehr abgewehrt wird, man übt einfach nur Rache.

In dem Fall sind beide Täter wegen Körperverletzung strafbar, es ist bei leichten Verletzungen allenfalls denkbar, dass die Staatsanwaltschaft beide Verfahren einstellt, weil sich das Unrecht durch die Gegenseitigkeit der Verletzungen aufhebt. Darauf sollte man aber nicht vertrauen.

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